Top Agrar 11/2009

Artikel 11/2009 in Top Agrar een gerenomeerd Duits vakblad.

Kuhställe in Lightversion


   


Holländische Milchviehhalter setzen auf einfache Ställe, um die Baukosten zu drücken. Sind die neuen Ställe eine Alternative zur bewährten Bauweise?

Der Boom beim Stallbau ebbt in den Niederlanden ab. Niedrige Milchpreise trüben die Investitionsbereitschaft der Milchviehhalter.
Wenn investiert wird, stehen vor allem einfache und günstige Stallbaulösungen im Fokus, um auch langfristig rentabel produzieren zu können. Während Milcherzeuger und Berater im Unterbau aber kaum noch Einsparpotenzial sehen, könnte im Oberbau noch so mancher Euro gespart werden.
Wir haben uns drei Leichtbauställe in den Niederlanden angeschaut und die Vorund Nachteile mit Praktikern erörtert.
Bogen- oder Folienstall
Die Folienhallen stammen aus Kanada. Das Fertigbau-Konzept wurde im Laufe der Jahre vom Lagerhallenbau auf Stallbau übertragen. Die freitragenden Hallen bestehen aus einem Stahlskelett, das mit ein oder zwei Folien bzw. LKW-Planen überzogen wird. Die Folien und Planen sind lichtdurchlässig oder blickdicht. Die freitragenden Bögen können Breiten bis zu 60 m abdecken. In der Länge sind sie flexibel erweiterbar. Je nach Spannbreite variiert die Höhe der Halle. Für die Bogenställe sprechen neben der flexiblen Erweiterung die günstigen Investitionskosten von 480 bis 840 € pro Kuhplatz (nur Oberbau).
Sowohl in den Niederlanden wie auch in Deutschland gibt es bereits zahlreiche Rinderfolienställe. Anbieter sind unter anderem Agrotel, Agricultura Modular, Booghal und Coverall. Weiterer Vorteil gegenüber konventionellen Gebäudehüllen ist die kurze Bauzeit. Je nach Anbieter steht die Halle innerhalb weniger Tage. Bei aufwändigeren Doppelfolien steht die Gebäudehülle erst nach zwei Wochen. Befestigt werden die Leichtbauhallen auf Streifenfundamenten, Bodenplatten oder mit Hilfe von Asphaltplattenankern. Eine Sicherung nur mit Erdankern wäre zwar möglich, sollte aber beim Kuhstallbau nicht erfolgen. Die statischen Berechnungen der Hallen werden von den Herstellern geliefert und je nach Schneeund Windlast in der Region angepasst. Zusätzlicher Pluspunkt der Rundhallen ist die flexible Nutung. So lassen sich die Hallen meist genauso schnell ab- wie aufbauen. Auch eine Umnutzung als Lager oder Unterstellplatz wäre möglich. Doch die Folienställe haben nicht nur Vorteile. Wer in einen Folienstall investiert hat, kann diesen nur noch in der Länge erweitern. Eine Verbreiterung der Ställe ist nicht mehr möglich. Bislang offen ist auch, wie lange die Folien bzw. LKW-Planen halten. Die Hersteller geben zumeist eine Garantie von acht bis zehn Jahren, dennoch darf man davon ausgehen, dass die Dächer früher reperaturbedürftig sind als normale- Blech- oder Eternitdächer. Die Kosten für eine Ersatzfolie liegen um 1 €/m2. Probleme könnte es auch bei der Genehmigung geben, da Folienställe keine traditionelle Bauweise darstellen und nicht bei jeder Baubehörde auf Gegenliebe stoßen.
Fazit: Die Folienställe sind eine kostengünstige und flexible Lösung für den Oberbau von Milchviehställen. Da das System im Hallenbau schon einige Jahre etabliert ist, dürfte die Haltbarkeit von Konstruktion und Dach gesichert sein.

Wie ein buntes Zirkuszelt

Schon von weitem sticht der blau-grüne Giebel des Folienstalls von Familie Houben aus Dieteren ins Auge. Der Stall erinnert eher an ein buntes Zirkuszelt als an einen Kuhstall. Als Harry Houben 2006 vor der Entscheidung stand, einen neuen Stall für seine 90 Kühe inkl. Nachzucht zu bauen, sollte es eigentlich ein ganz normaler werden. Erst im letzten Moment entschied sich die Familie für den Folienstall. Ausschlaggebend für das Wagnis waren die schnelle Bauzeit und die niedrigen Investitionskosten in den Oberbau. Der konventionelle Oberbau wäre 40 % (fast 50 000 €) teurer geworden. Der Folienstall ist 34 m breit und 85 lang, wobei die Stahlbögen eine Breite von 40 m abdecken.

   Harry Houben baute aufgrund der niedrigen Investitionskosten einen Folienstall.


   Kälberstall und Melkzentrum sind im Folienstall
   integriert. Der untere Teil dient als Strohlager.

Bis zu einer Höhe von 3,20 m ist der Stall offen, bzw. kann mit einem Curtain- System geschlossen werden. “Die Träger der Rundbogenhalle haben wir im Abstand von 5,75 m auf einem 80 cm tiefen Streifenfundament montiert”, erklärt Harry Houben.
Die Dachkonstruktion besteht aus einer hellen lichtdurchlässigen Folie und einem grünen Windschutznetz. Das Netz soll die Folie vor hohem Winddruck, schwerer Schneelast und UV-Licht schützen. Folie und Netz sind in einem Abstand von 60 cm an der Ober- bzw. Unterseite des Stahlbogens verspannt. Die Folie hat zudem jeweils ein durchgehenden 20 cm großen Lüftungsschlitz, aus dem die warme Luft aus dem Stall austreten kann. An diesen Stellen ist das darüberliegende Windschutznetz dicht, so dass kein Regen oder Schnee in das Gebäude eindringt. Hitzestress oder Kondenswasser im Winter sind daher auch für Betriebsleiter Houben bislang kein Thema: “Selbst an heißen Tagen mit über 30 °C war es im Stall immer zwei Grad kühler und eine leichte Brise ging quer durch den Stall.”

Viel Licht im Stall
Rund zwei Drittel der Halle nutzt der Milcherzeuger als Kuh- und Kälberstall. Im hinteren Teil der Halle lagert Houben Stroh, Einstreumaterial für die Liegeboxen und Futtermittel. Neben dem guten Klima im Stall ist für Houben vor allem der hohe Lichteinfall ein Vorteil. “Selbst im Winter haben wir an sonnigen Tagen bis zu 3000 Lux gemessen”. Durch das viele Tageslicht und das gut Klima habe sich auch die Fruchtbarkeit seiner Herde in den letzten drei Jahren verbessert. Viel zu kritisieren am Stallsystem hat der begeisterte “Folienbauer” nicht. “Mich stört vor allem der ungenutzte Platz zwischen den Ständern außen, den man nur eingeschränkt nutzen kann”, sagt Houben.
Houben ist sich aber sicher mit dem Folienstall für die Zukunft gerüstet zu sein. “Der Stall ist so ausgelegt, dass wir die Kuhzahl ohne Problemeverdoppeln können”, sagt er.